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Aktivitäten - 2016

Gefährliche Spinnen in Bananenlieferungen?

Regelmäßig erscheinen in der Tagespresse Berichte über angeblich mit Bananen eingeschleppte Spinnen. Meist wird in den Berichten impliziert, dass es sich um für den Menschen besonders gefährliche Arten handeln könnte, selbst wenn die vermeintliche Spinne weder gesichtet noch identifiziert werden konnte. Es ist nicht selten die Rede von einer "Brasilianischen Wander-" oder "Bananenspinne" - gemeint sind damit wohl Angehörige der Gattung Phoneutria. Eine Auflösung, welche Spinnenart tatsächlich involviert war - sofern es sich bei dem vermeintlichen Fund überhaupt um eine Spinne handelte -, bleibt dann zumeist aus. Durch diese unsachgemäße Berichterstattung bleibt gegebenenfalls eine gewisse Angst und Unsicherheit in der Bevölkerung zurück.

Diese Problematik scheint nicht nur auf Mitteleuropa zuzutreffen, sondern auch auf Nordamerika. Dort hat sich nun ein Team von Wissenschaftlern der Frage gewidmet, welche Spinnen heute überhaupt mit Lieferungen von Bananen und anderem internationalem Frachtgut importiert werden (Vetter et al., 2014). Hierfür hat der Erstautor der Studie seit 2006 in ganz Nordamerika dazu aufgerufen, dass ihm Fachkollegen Daten zu Spinnen aus internationalen Lieferungen überliefern sollten, welche zur Identifizierung von Leuten - häufig Supermarkt-Angestellte - eingereicht wurden. Immerhin konnten somit 135 Spinnen aus internationalen Lieferungen dokumentiert werden. Die Autoren bemerken allerdings, dass durch ihre Vorgehensweise (es wurden nur die zur Identifizierung eingereichten Spinnen berücksichtigt) vor allem solche Spinnen erfasst wurden, die für Besorgnis sorgten, insbesondere recht große Spinnen. Es handelte sich also um keine systematische Studie, die alle Spinnen berücksichtigte - kleinere, unscheinbare Arten könnten häufig unbemerkt geblieben sein. Unter den insgesamt 135 importierten Spinnen waren die Häufigsten Heteropoda venatoria (insgesamt 45 Funde) und Cupiennius chiapanensis (31 Funde), zwei für den Menschen harmlose Spinnenarten. Dagegen wurden die auch für den Menschen gefährlichen Arten der Gattung Phoneutria deutlich seltener nachgewiesen (6 Funde von P. boliviensis und 1 Fund von P. nigriventer). Aus der Vergangenheit sind zahlreiche Fälle bekannt, bei denen eingeschleppte Cupiennius Arten fälschlicherweise für Phoneutria Arten gehalten wurden. Die Autoren weisen darauf hin, dass derartige Verwechslungen keinesfalls trivial sind und weitreichende Folgen haben können. So wird unter anderem ein Fall beschrieben, laut dem ein Lebensmittel-Verarbeiter eine Bananenlieferung im Wert von mehr als 26.000 US-Dollar zurückhielt, weil er fälschlicherweise eine darin befindliche Cupiennius chiapanensis für eine gefährliche Phoneutria fera hielt.

Die meisten Spinnen kamen aus den Ländern Ecuador, Costa Rica oder Guatemala. Noch in der Mitte des letzten Jahrhunderts berichtete Günter Schmidt über weitaus mehr Spinnen, die damals nach Deutschland insbesondere mit Bananenlieferungen eingeführt wurden. Die Autoren der aktuellen Studie (von Vetter et al., 2014) folgern, dass durch die derzeit aktuelle Verarbeitung der Bananen, etwa dem mehrmaligem Waschen oder der Behandlung mit Insektiziden, ein Großteil der möglicherweise anhaftenden Spinnen bereits vor dem Versand beseitigt wird.

Unter den in der Studie dokumentierten Spinnen war keine in einem Bissunfall involviert. Die am häufigsten importierten Arten, H. venatoria und C. chiapanensis, gelten wie bereits erwähnt als harmlos - die nach Bissen auftretenden Symptome sind meist von kurzer Dauer und milder Ausprägung. Neben zwei Latrodectus Arten (L. hasselti aus Australien und L. hespertus aus Mexiko) gelten unter den in der Studie erfassten Arten nur diejenigen der Gattung Phoneutria als medizinisch relevant. Über die Folgen von Phoneutria Bissen liefert die umfangreiche Studie von Bucaretchi et al. aus dem Jahr 2000 Aufschluss: Über einen Zeitraum von 13 Jahren wurden in Brasilien 422 Patienten erfasst, die von Phoneutria Arten gebissen wurden. Schwerwiegende Symptome wurden lediglich bei zwei Kleinkindern (9 Monate und 3 Jahre alt) registriert, eines der beiden verstarb sogar 9 Stunden nach dem Biss. Insgesamt traten in knapp 90 % der Fälle allerdings vergleichsweise milde Symptome auf. Zu den häufigsten Symptomen gehörten lokale Effekte wie etwa Schmerzen um die Bissstelle. In den meisten Fällen wurde eine lokale Schmerztherapie angewandt, nur bei 2 % der Patienten wurde ein Antiserum verabreicht.

Zusammenfassend sei angemerkt, dass die von den Medien ausgelöste Hysterie um die mit Bananen importierten Spinnen als völlig übertrieben erscheint: Heute werden deutlich weniger Spinnen mit Bananen importiert als noch vor einigen Jahrzehnten. Unter den eingeführten Spinnen befinden sich überwiegend als harmlos geltende Arten. Und selbst die als gefährlich geltenden Arten verursachen in den meisten Fällen nur lokale, eher milde Symptome - lediglich Kleinkinder und Menschen über 70 Jahre scheinen einem etwas erhöhten Risiko von schwerwiegenderen Vergiftungsverläufen ausgesetzt zu sein.

Dieser Text ist Teil eines ausführlicheren Artikels, der in unserer Vereinszeitschrift ARACHNE veröffentlicht wurde: Hauke, T. (2015): Mythos Spinnenbisse - Aktuelles aus der Literatur. ARACHNE 20 (3), 18-27.


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